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Ungleichheiten und Rassismus in Zentralamerika

Guatemala blickt auf eine blutige Vergangenheit zurück, deren Wunden auch heute noch nicht geheilt sind. Bereits in der Kolonisation ab 1524 durch Spanien kommt es beinahe zur Auslöschung der Bevölkerung im Hochland Guatemalas. Im 16. Jahrhundert wird die indigene Bevölkerung von 800.000 auf 100.000 Personen dezimiert, was heute noch als „Trauma der Eroberung“ bezeichnet wird.

Wie in so vielen kolonisierten Regionen wird auch in Mittelamerika das Leben der ansässigen Menschen durch die Ankunft der Europäer massiv entwertet und ihre sozialen, ökonomischen und religiösen Strukturen gewaltsam aufgelöst.

Die indigene Bevölkerung muss sich an die Lebensweise und Gesellschaftshierarchie der Spanier*innen unterordnen. Sie steht gemeinsam mit verschleppten Versklavten aus Afrika auf den untersten Ebenen der Gesellschaft. Von Anfang an kommt es zur Familienbildung zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien. In Guatemala wird zwischen 52 verschiedenen „Kasten“ unterschieden, die je nach weißem „Anteil“ eine höhere oder niedrigere Stellung in der Gesellschaft einnehmen und unterschiedlich über Privilegien, Güter und Ländereien verfügen. Diese kulturelle Segregation verfolgt die Bevölkerung Guatemalas  bis in die Gegenwart.

Zwischen 1960 und 1996 befindet sich Guatemala im Bürgerkrieg, welcher im Land selbst lediglich abgeschwächt „bewaffneter Konflikt“ genannt wird. In diesem „Ausläufer“ des kalten Krieges bekämpften sich nach einem Putsch, der durch die USA unterstützt wurde, Organe der Militärdiktatur, Guerillagruppen und rechte Paramilitärs. Es kommt zu geschätzt 250.000 Toten, viele Menschen gelten noch heute als verschwunden und bis zu 100.000 Guatemaltek*innen flüchteten in die Nachbarländer, vor allem nach Mexiko.

Die blutigste Zeit des Konflikts ist in den 1980-er Jahren unter der Diktatur von Ríos Montt. 83 Prozent der im Krieg Ermordeten gehören indigenen Gemeinschaften an, wobei 93 Prozent dieser Verbrechen dem guatemaltekischen Militär und Paramilitär angelastet werden. Genozid wurde dabei als Waffe gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Das bekannteste Verbrechen dieser Zeit ist der Genozid am Volk der Ixil, die im Hochland Guatemalas leben: Etwa 5,5 Prozent dieser indigenen Ethnie darunter Frauen, Babys, Kinder und Senioren wird systematisch vom Militär ermordet, viele mehr werden vergewaltigt und misshandelt, fast 90 Prozent ihre Dörfer werden zerstört – alles nur, weil Ríos Montt ihnen vorwirft die Guerilla-Bewegung zu unterstützen. 2013 wird der ehemalige Präsident († 2018) in Guatemala des Völkermords schuldig gesprochen und zu 80 Jahren Haft verurteilt.

Guatemala ist  ein Land mit großen strukturellen Ungleichheiten , in dem eine kleine soziale Klasse die nationale Politik bestimmt. Neun wohlhabende – von Europäern abstammende – Familien besitzen die größten Unternehmen des Landes und haben somit auch indirekt die politische Entscheidungsmacht inne. Durch diese oligarchischen Familien finden auch im 21. Jahrhundert weiter Enteignungen der meist in schwerer Armut lebenden indigenen Bevölkerung statt. Die Betroffenen werden meist zum Verkauf ihrer Ländereien genötigt, um dort Platz zu schaffen für Megaprojekte, wie Palmölanbau, Bergbau oder Wasserkraftwerke.

Die Gesellschaft ist immer noch tief gespalten: Diskriminierung  aufgrund von Aussehen oder Sprache  gehört zum Alltag und die indigene Bevölkerung lebt statistisch viel wahrscheinlicher in Armut oder gar extremer Armut.. Auch Frauen und die LGTBQ-Gemeinschaft haben es in Guatemala durch die  patriarchalischen und machistischen Strukturen schwerer und werden unterdrückt. Die schwache ökonomischen Situation, die hohe Korruption, das Versagen des Staates, , Hungerlöhne und der zunehmenden Gewalt durch das organisierte Verbrechen im Drogenhandel führt mit dazu, dass viele vor allem junge Guatemaltek*innen  in die USA, Mexiko oder Spanien auswandern

Autorinnen: Rosario Quiché, Ronja Kern für AWO International, Regionalbüro Zentralamerika

Rassismus als koloniales Erbe - Online Workshop am 11.03.2021, 16-18 Uhr.

Dieser Artikel ist im Rahmen der Aktionswoche AWO gegen Rassismus entstanden, in welcher vom 15. März bis 25. März  verschiedene online Aktionen stattfinden.

Im Workshop "Rassismus als koloniales Erbe: Bericht aus Zentralamerika" berichtet Rosario Quiché, Projektreferentin im Regionalbüro Guatemala, wie rassistische Praktiken als koloniales Erbe die Lebenssituation vieler Menschen in Zentralamerika erschweren und eine nachhaltige, gerechte gesellschaftliche Entwicklung verhindern. Der Workshop findet in deutscher, spanischer und ggf. englischer Sprache statt.

 

Bitte um Anmeldung per E-Mail an roman.fleissner@awointernational.de

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