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Entlassmanagement-ein Versorgungsanspruch nach Krankenhausbehandlung

Von: Gudula Wolf

 

Der Vater meiner Freundin heißt Helmuth und liegt im Krankenhaus. Er war gestürzt und soll in drei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Helmuth ist von dem Entlassungsbescheid bei der ärztlichen Visite überrascht worden. Er weiß gar nicht wie es zu Hause weiter gehen soll; sein rechter Arm ist in Gips, die linke Schulter und das Becken stark geprellt. Im Krankenhaus hat er eine „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ des Fachpersonals. Er kann klingeln, wenn er Schmerzen hat, bekommt Unterstützung bei der Körperpflege und der Toilettennutzung, ebenso vorbereitete Speisen und Getränke hingestellt. Physiotherapeut*innen unterstützen ihn bei Übungen und haben ihm Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, wie ein weiches Sitzkissen oder eine Greifzange.

Zu Hause lebt er alleine in einer 2,5-Zimmer-Wohnung, seine Tochter wohnt 250 km entfernt und ist ganztags berufstätig. Helmuth hat aufgrund eines geringen Unterstützungsbedarfs vor sechs Monaten den Pflegegrad 1 zugesprochen bekommen. Meine Freundin macht sich nun Sorgen und fragt sich zu Recht. Wie soll ihr Vater das zu Hause alleine schaffen? Kann ein Krankenhaus so unvorbereitet Patient*innen entlassen? Wie kann sie als Angehörige darauf Einfluss nehmen? Wer unterstützt sie und ihren Vater im Krankenhaus bei einer bevorstehenden Entlassung und wie sehen diese Hilfen aus?

 

Was steht Patient*innen vor der Krankenhausentlassung zu?

Patient*innen haben im Rahmen ihrer Krankenhausbehandlung einen gesetzlichen Anspruch auf eine individuelle Entlassungsplanung, dem sogenannten Entlassmanagement, in dem eine strukturierte weiterführende Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt von dem ärztlich-therapeutischen Behandlungsteam  schriftlich festgelegt wird. Je nach notwendiger Nachsorge oder Behandlung sind Kranken-und Pflegekassen angehalten, notwenige Unterstützungsleistungen aus dem Entlassungsplan zu finanzieren. Das Ziel des Entlassmanagement ist, eine bedarfsgerechte und weiterführende Versorgung der Patient*innen im Anschluss an die Krankenhausbehandlung zu gewährleisten.

Die geplante Durchführung der Entlassung ist meist bei den Mitarbeitenden des Sozialdienstes oder sogenannten Fallmanager*innen angesiedelt. Diese sind mit den Strukturen der Nachversorgung, damit verbundenen Fragestellungen und Problemen vertraut. Sozialdienst oder Fallmanager*innen sind somit die Ansprechpartner*innen für Patient*innen, sowie  An-oder Zugehörige und rechtliche Betreuer*innen wenn es um Hilfestellungen nach dem Krankenhausaufenthalt geht.

 

Welche Leistungen stehen Patient*innen im Entlassmanagement zu?

Falls erforderlich, kann ärztliches Klinikpersonal im Rahmen des Entlassplans Verordnungen im Krankenhaus ausstellen. Aufgrund der gesetzlichen Sonderregeln in der Corona/COVID-19 Pandemiezeit wurden die Verordnungszeiten verlängert:

  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für bis zu 7 Kalendertage, Corona-bedingt jetzt  bis zu 14 Kalendertage.
  • Mitgabe von Arzneimitteln, regulär die kleinste Packungsgröße, während der Pandemiezeit bis zur größten Packungsgröße.
  • Heilmittel-Verordnung für bis zu 7 Kalendertage, Corona-bedingt jetzt bis zu 14 Kalendertage.
  • Hilfsmittel-Verordnung für bis zu 7 Kalendertage, Corona-bedingt jetzt  bis zu 14 Kalendertage.
  • Häusliche Krankenpflege-Verordnung für bis zu 7 Kalendertage, Corona-bedingt jetzt  bis zu 14 Kalendertage.
  • Krankenbeförderung: Entlassfahrt.
  • Soziotherapie-Verordnung für bis zu 7 Kalendertage, Corona-bedingt jetzt  bis zu 14 Kalendertage.
  • Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)-Verordnung bis zu 7 Tage, Corona-bedingt jetzt bis zu 14 Kalendertage.

Corona-bedingt gilt, die bisherige 12-Tage-Frist, bis zu der die vom Krankenhaus verordnete Heilmittelbehandlung abgeschlossen sein muss, wurde auf eine 21-Kalendertage-Frist erweitert.

Tauschen Sie sich mit uns aus:

Die Online-Pflege-und Seniorenberatung bietet zu diesem Thema am Donnerstag, den 26. November 2020 ab 15:00 Uhr einen Chat mit einer Expertin aus der Pflegeberatung an. Teilnehmer*innen können auf der Webseite AWO-Pflegeberatung  einfach dem Expertenchat  beitreten oder schon jetzt im Vorfeld eine Frage stellen.

Welche Nachsorge-Leistungen können für ältere Patient*innen wichtig sein?

Geriatrische Rehabilitation

Eine geriatrische Rehabilitation ermöglicht es älteren Patient*innen, direkt nach der Akut-Behandlung im Krankenhaus ihre Selbstständigkeit im Alltag zurückzu- erlangen. Dies kann im Anschluss in einer weiteren stationären Rehabilitations-Abteilung oder-Einrichtung geschehen. Aufgenommen werden ältere Patient*innen, die nach einer Operation oder schweren Krankheit in ihrem Alltag eingeschränkt sind. Ein Antrag für die Rehabilitation kann von den Krankenhausärzt*innen veranlasst werden.

Hauskrankenpflege als Übergangspflege

Im Rahmen der sogenannten Übergangspflege haben Versicherte bis einschließlich dem Pflegegrad 1 nach einem Krankenhausaufenthalt einen Anspruch auf eine Krankenkassen-Verordnung über eine „grundpflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung“ bis zu vier Wochen durch einen ambulanten Pflegedienst. Pflegebedürftige Versicherte ab dem Pflegegrad 2 müssen den ambulanten Pflegedienst über die Leistungen der Pflegeversicherung finanzieren und bekommen keine ärztliche Verordnung ausgestellt.

Behandlungspflege, wie die Verabreichung von Medikamenten/Spritzen, das An-und Ausziehen von Kompressionstrümpfen oder Wundversorgung kann zusätzlich zur Hauskrankenpflege verordnet werden.

Kurzzeitpflege als Übergangspflege

Ist die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst in der häuslichen Umgebung nicht ausreichend, dann kann die Kurzzeitpflege in einer geeigneten Einrichtung als Leistung der Krankenkasse bis zu einem Gesamtbetrag von 1.612 Euro pro Kalenderjahr für maximal acht Wochen im Jahr bei der Krankenkasse beantragt werden. Pflegebedürftige Versicherte ab dem Pflegegrad 2 müssen die Kurzzeitpflege über die Leistungen der Pflegeversicherung finanzieren.

Heil- und Hilfsmittel

Soweit erforderlich, können schon im Krankenhaus Hilfsmittel, wie Sitzkissen, Rollstühle, Rollatoren oder auch Inkontinenzmaterialien verordnet werden. Eine Beratung kann mit den entsprechenden Therapeut*innen dazu stattfinden.

Stationäre Pflege

Sollte die Rückkehr in die eigene Wohnung nach einem Krankenhausaufenthalt nicht mehr möglich sein, so ist im Rahmen des Entlassmanagements eine Unterstützung in eine stationäre Einrichtung zeitnah notwendig. Ebenfalls können schon Pflegebegutachtungsmaßnahmen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) oder ähnliche Prüforganisationen eingeleitet werden.

Wie können Sie sich als An-oder Zugehörige im Krankenhaus verhalten?

Gerade bei älteren und allein lebenden Patient*innen ist eine frühzeitige Abstimmung zwischen dem Krankenhauspersonal und Ihnen als  nahe*r Verwandte*r oder pflegende*r Angehörige*r zwingend notwendig. Einige Möglichkeiten finden Sie hier:

  • Setzen Sie sich gleich nach der Krankenhausaufnahme mit dem Klinikpersonal, sowie dem Sozialdienst in Verbindung. Sprechen Sie weitere Schritte und Möglichkeiten ab. Mitarbeiter*innen des Entlassmanagements sind persönlich, telefonisch oder per E-Mail zu erreichen. Ihre Sprechzeiten sind auf der Internetpräsenz des Krankenhauses, sowie auf den Stationen veröffentlicht.
  • Sprechen Sie mit den behandelnden Krankenhausärzt*innen über angedachte Entlassungszeiten, die häusliche Situation und notwendige Unterstützungsmöglichkeiten.
  • Binden Sie Ihre*n Krankenhauspatient*in in Ihre Planung mit ein, soweit möglich führen Sie ein ärztliches Gespräch zusammen durch.
  • Setzen Sie sich zeitnah für eine notwendige Weiterversorgung wie häusliche Krankenpflege, Kurzzeitpflege oder stationäre Pflegeversorgung mit der Kranken- oder Pflegekasse des*der Patient*in in Verbindung.
  • Müssen Sie als angehörige und berufstätige Pflegeperson akute Versorgungs-oder Pflegehilfen nach einem Krankenhausaufenthalt organisieren, so besteht ein gesetzlicher Anspruch mithilfe einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, sich von der Arbeit befreien zu lassen; in der Regel bis zu 10 Arbeitstage, in Corona-Pandemiezeiten vorerst bis Ende 2020 bis zu 20 Arbeitstage.

Weitere Informationen:

Bundesministerium für Gesundheit- Entlassmanagement

Verbraucherzentrale- Krankenhäuser müssen lückenlose Nachsorge gewährleiten

Unabhängige Patientenberatung Deutschland- Entlassmanagement

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